Fortsetzung von Teil 1
Mein Mann öffnet die Haustür und geht ihr im Treppenhaus entgegen. Er erinnert sich an all die Taschen, die sie bei der letzten Geburt dabei hatte. So tragen sie gemeinsam alles in unser Wohnzimmer. Ich erzähle Christine nun ein wenig von meiner Nacht und merke dabei, dass es jetzt wirklich äußerst unangenehm wird. Als meine Hebamme sieht, wie (aus ihrer Sicht) zaghaft mein Mann unter den Wehen massiert, packt sie selbst einmal ordentlich an und macht es ihm vor. 😉 Sie nutzt den kompletten Unterarm und legt all ihre Kraft in das Reiben des unteren Rückenbereichs. Es tut richtig gut. Nun allerdings ist schon fast der Punkt erreicht, an dem ich gar keine Berührungen mehr zulassen möchte. Für mich ist das ein gutes Zeichen, denn ich weiß jetzt, es dauert nicht mehr allzu lange.
Meine Hebamme bittet mich, ein CTG machen zu können, um nach dem Befinden des Babys zu schauen. Dem Kleinen geht es bestens, so dass sie mich um 6:45 Uhr untersuchen möchte, um einen Befund zu erhalten. Ich mag mich eigentlich absolut gar nicht in Rückenlage begeben, aber in einer kurzen Pausen lege ich mich dann doch auf die Couch. Der Muttermund ist bereits 7cm geöffnet, während meine liebe Hebamme das ausspricht, platzt endlich die Fruchtblase. Nun ist auch der Höhepunkt der Schmerzintensität erreicht. Die Wehen kommen sehr schnell und ich weiß nicht so recht, wohin mit mir. Mein Mann ist immer an meiner Seite und trotz der Schmerzen denke ich im Stillen daran, wie dankbar ich für seine Anwesenheit bin.
Ich laufe auf und ab, ich mag eigentlich nicht mehr. Aber wir wissen ja alle, dass es nun kein Zurück mehr gibt. Alles geht jetzt blitzschnell. Schon um 7:00 Uhr verspüre ich den Drang zu pressen. Die ersten 2, 3 Presswehen empfinde ich noch als einigermaßen angenehm. Ich frage meine Hebamme sogar noch, ob sie schon Haare auf dem kleinen Köpfchen spüren kann. Sie bejaht und irgendwie wird es jetzt wieder so real. Gleich wird unser Baby da sein, unser kleines, so lang ersehntes Winterbaby. Ich kann es kaum glauben.
Doch dann kommt dieser für mich schlimmste Schmerz unter der Geburt. Alles spannt und drückt und ich würde am liebsten einfach aufhören. Es fühlt sich wirklich so unendlich schmerzhaft an. Nun ist auch der Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr komplett leise bleibe, es hält sich dennoch absolut in Grenzen. Wie auch bei der letzten Geburt stütze ich mich im Kniestand ab. Bis dahin, so glaube ich, war es ziemlich ruhig um mich. Diese letzte Phase der Presswehen fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Meine Hebamme hilft enorm, in dem sie warme "Kaffeekompressen” im Dammbereich anwendet. Kurz zuvor bin ich im ersten Moment vollkommen irritiert, wie sie in dieser Phase meinen Mann um einen Kaffee bitten kann. 🙈😅 Es tat in jedem Fall unheimlich gut.
Vor lauter Erschöpfung möchte ich wissen, wie viele Presswehen er noch benötigt. Ich bekam die für mich wirklich beste Motivation als Antwort. Christine sagte, wenn ich alles gebe, ist er nach 2 Presswehen da, wenn ich nur mit halber Kraft drücke, brauchen wir noch 10 weitere Presswehen. Als ich das höre, nehme ich noch mal alle Kraft zusammen, es schmerzt ununterbrochen, es fühlt sich fürchterlich an. Doch dann plötzlich in der zweiten oder dritten Presswehe drücke ich so fest es geht und dann ist es geschafft. 7:10 Uhr, das kleine Köpfchen voller Haare ist geboren und nur sehr wenige Augenblicke später auch der restliche Körper. Es ist so irre, da liegt unser viertes Wunder! Ich nehme ihn sofort hoch, lege ihn auf meine Brust und lege mich mit Hilfe meiner Hebamme auf den Rücken. Mein Mann und ich bestaunen diesen kleinen, zuckersüßen Jungen und mir ist sofort klar, dass er viel zarter als sein großer Bruder ist. Unser Baby schreit und schreit, während ich erleichtert bin und diese großes Glück in diesem so unbeschreiblichen Moment fühle. Wir lassen die Nabelschnur auspulsieren, bevor mein Mann sie dann anschließend durchtrennt. Leider spüre ich ziemlich schnell eine Geburtsverletzung. Nachdem dann auch die Plazenta da ist, macht mein Mann es mir auf der Couch gemütlich, sodass ich von der am Boden liegenden Matratze aufstehe und mich mit unserem Baby auf der Brust auf das Sofa lege. Hier wird durch meine Hebamme die Verletzung lokal betäubt und genäht. Es ist meine dritte Verletzung nach vier Geburten. Nur beim Babymädchen, also der zweiten Geburt, blieb ich komplett unversehrt. Nachdem das dann überstanden ist, lege ich das kleine Bündel zum ersten Mal an. Er trinkt, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Es ist alles noch ein wenig unwirklich, ging es nun am Ende ja doch sehr rasant zu Ende.
Irgendwann wollen wir das kleine Wunder messen und wiegen. Exakt 3800g schwer, 53cm lang und einen Kopfumfang von 35cm. Ein gutes Mittelmaß seiner Geschwister, was die gemessenen Werte angeht. Danach wickeln wir ihn noch mal in ein frisches, trockenes Handtuch und dann darf Papa kuscheln und bestaunen, während meine Hebamme und ich ins Bad gehen. Dort begebe ich mich direkt unter die Dusche und fühle mich gar nicht so schwach wie nach den anderen Geburten. Während der Dusche freue ich mich bereits auf unser heimisches Bett. Es ist einfach so eine komplett andere Situation, all das in den heimischen vier Wänden erleben zu dürfen.
Kurz darauf liegen wir auch schon zu dritt unter der Bettdecke. Der Kleinste Haut an Haut auf mir unter meinem Shirt. Er schläft ganz friedlich. Der Papa macht es ihm nach und schließt für ein paar Minuten die Augen. Unsere liebe Hebamme hat sich bereits verabschiedet, um am späten Nachmittag erneut nach uns zu schauen.
Ich werde den kompletten Tag nicht eine Minute schlafen. Viel zu groß die Aufregung, Freude und die Höhe des Adrenalinspiegels in meinem Körper. Wir genießen noch etwas die Dreisamkeit und behalten dieses Wunder erstmal ganz für uns allein. So ruhig und entspannt werden wir drei die nächsten Tage vermutlich nicht noch einmal beieinander liegen. Gegen 10:00 Uhr geben wir meiner Mama Bescheid und kurz darauf ist sie mit den Kindern bei uns. Alle drei Kinder kommen mit Jacken und Mützen ins Schlafzimmer gelaufen. Sie krabbeln nach und nach aufgeregt ins Bett und bestaunen ihren kleinen Bruder. Alle drei sind direkt verliebt und können gar nicht glauben, wie winzig dieses kleine Bündel ist. Meine Mama bleibt nur kurz, sie freut sich nach der kurzen Nacht auf ihr Bett und lässt uns diese ersten Momente alleine geniessen. So liegen wir also gegen 10:30 Uhr zu sechst im Bett, alle strahlen und sind einfach nur glücklich, dass er nun endlich da ist. Wir Eltern sind erleichtert, dass die Geburt reibungslos verlaufen ist und wir ein gesundes Baby im Arm halten dürfen. Durch die riesigen Schlafzimmerfenster scheint die Sonne, der Himmel ist blau und es ist traumhaft schönes Wetter. Wie schrieb mir noch am selben Abend eine liebe Freundin: “...Was für einen schönen Tag er sich ausgesucht hat. Der kleine Frühling mitten im Winter. Gibt es ein wundervolleres Motto für einen Lebensstart?...”
Bis heute, 22 Tage nach dieser ja doch recht schnellen Geburt genießen wir alle unseren Neuankömmling. Keiner der drei Geschwister hat bisher den Anschein gemacht, auch nur einen Moment eifersüchtig zu sein. Auch hier, so sagt meine Hebamme, spiele die Hausgeburt eine Rolle. Die Kinder kommen in ihr gewohntes Umfeld und lernen hier ihr Geschwisterchen kennen. Als Mama direkt mit dem Baby zu Hause zu sein, fühlt sich für uns alle sehr, sehr schön an. Es war absolut richtig, dass wir uns ein zweites Mal für eine Hausgeburt entschieden haben. Für mich kann es keinen schöneren Ort geben, um ein neues Familienmitglied zu begrüßen und in die Familie aufzunehmen.
(Vier Kinder, die unser nun Kleeblatt komplett machen. Wir sind wahnsinnig stolz auf unsere liebevolle Rasselbande. Zudem empfinden wir eine grosse Dankbarkeit, dass man es bis hierhin so verdammt gut mit uns gemeint hat.)